Die Entdeckung des Kiter-Paradieses
Blogeintrag von Mara
Heute ist der Tag der tollen Überraschungen. Zuerst bin ich sehr angenehm überrascht, dass auch nordwestlich von Roland’s schweizerischem Refugium in Paracuru ein sehr ansprechendes Frühstücksbuffet existiert und dies praktischerweise in unserer Pousada Oca na Praia. Zwar nicht ganz so gesund mit Müesli, dunkl(er)em Brot und riesiger Auswahl, aber dafür mit sehr leckeren Waffeln, frischen Säften, French Toast, Wassermelone, Schoggikeksen und einigem mehr. Wirklich ein Pluspunkt für diese Pousada, neben der wunderschönen Lage am Meer.
Ich hatte eine sehr interessante Nacht verbracht, in der ich mich auf einem Boot bei tosendem Sturm von den Wellen in den Schlaf gewiegt wähnte. Ich hatte nämlich bei der Besichtigung der verfügbaren Zimmer als Erste den Finger gehoben, als Heinz uns in eine Hütte auf Stelzen, die von allen Häuschen am nächsten zum Strand steht, geführt hatte. Und damit durfte ich hier netterweise einziehen. Da wir hier selbst in der Nacht um die 7 Beaufort haben, schaukelte meine Hütte die ganze Nacht auf ihren dünnen Stelzen hin und her, manchmal wurde sie auch von einer Böe regelrecht durchgeschüttelt. Ich als alte Möchtegern-Seebärin finde das natürlich wunderbar! Ist aber wahrscheinlich nichts für ängstliche Landratten. Was man allerdings nicht machen darf, ist gleichzeitig die dem Wind zugewandte Tür zur Veranda aufmachen und die Hüttentür offenstehen lassen, denn man riskiert die sofortige Entleerung der Hütte von allem Inhalt, der kleiner als das grosse Doppelbett ist.
Aber eben: ich wollte schon immer mal in so einem romantischen Stelzenhäuschen wohnen und für mich ist das ein weiteres Highlight dieses Brasilien-Urlaubs. Danke Heinz!!! :-)
Da man von Macapà aus so unzählige Möglichkeiten zum Kiten hat, teilen wir unsere Gruppe heute auf in die, die Lust auf einen recht langen Downwinder von Pedra do Sal ins Parnaiba-Delta haben und die, die lieber nochmal über die tolle Lagune zwischen Macapà und Barra Grande düsen wollen.
Heinz, Thomas, Roman und ich steigen also in unseren braven Fiat-Van und fahren über Parnaiba in Richtung Nordwesten, wobei wir auf dem Weg dorthin mitten auf den Strassen mal wieder die Bewohner eines gesamten Bauernhofs bewundern dürfen. Man muss immer mal wieder im Slalom um Hunde, Esel, Kühe, Ziegen und sogar schwarze Schweine fahren. Und gestern fuhren wir auf der Landstrasse an einem Mann vorbei, der mit dem Gesicht nach unten neben einem umgestürzten Velo im Strassengraben lag, als wäre er heftigst von der Strasse geflogen. Wir kehrten natürlich sofort um, um ihm erste Hilfe zu leisten, aber er winkte nur ab und meinte, ihm sei nur nicht so gut und wir könnten weiterfahren…….
Tja, die Menschen hier sind schon ganz schön hart im Nehmen! Oft sehen wir sie bei 6 Beaufort Gegenwind mit klapprigen Velos auf der Standspur die Landstrasse entlangfahren, teilweise sogar nachts, was schon eher ziemlich lebensmüde ist und ich würde sie immer am liebsten mitsamt des Velos mitnehmen. Aber in unsere bis obenhin vollgepackten Autos passt leider meist nicht mal mehr eine Maus rein.
Da der Wind noch nicht so stark ist, platzieren wir uns strategisch günstig in einer der Baracas am Strand und es gibt erstmal so richtig dekadent Cola und Pommes zur Stärkung für den bevorstehenden Down- und zwangsweise eben auch wieder Upwinder. Man kommt mit dem Auto nämlich nicht näher an die sandige Mündung des Parnaiba-Deltas heran, sondern müsste mit einem Boot von innerhalb des Deltas kommen, wie ich es mit einer anderen Gruppe letztes Jahr gemacht habe.
Da Hinkiten aber natürlich die viel spannendere Herausforderung ist und uns vor allem eine professionellst mit Sonnenhüten, Rucksäcken und Camel-Bags ausgerüstete Gruppe Franzosen das Ganze schon vormacht, bauen wir auf und queren die Bucht direkt in Richtung der gegenüberliegenden Landspitze, wobei wir am Schluss noch recht Höhe laufen müssen. Dies ist gar nicht mal so einfach, denn der Wind schwächelt zum ersten Mal seit Tagen ziemlich und die 9 qm-Schirme sind fast ein bisschen klein. Schliesslich kommen wir aber dort an und vor unserer Nase erstreckt sich eine riesige Lagune hinter einer circa 20 m breiten Sandbarriere, über die der Wind unverwirbelt darüberfegen kann. Naja gut, heute fegt er ja ein bisschen weniger, aber immerhin ist er unverwirbelt!
Die Franzosen sind auch schon da, aber da es so endlos viel Platz hat, verteilt es sich gut und wir fühlen uns fast allein im absoluten Kiter-Paradies. Das Wasser ist „brettl eben“ (wie der Bayer so schön sagt) und man kann zum Springen super abdrücken. Oder könnte, wenn es einfach noch drei kleine Knoten mehr hätte. Aber wir wollen mal nicht mosern….. Es ist jedenfalls superschön und chillig. Da wir noch ein bisschen Kraft für den Rückweg brauchen, stürzen wir uns nach einer Dreiviertelstunde wieder in die fetten Meereswellen und düsen zurück in Richtung Leuchtturm, was diesmal mit nur einem Schlag zu bewerkstelligen ist.
Am Strand angekommen bekomme ich noch eine sehr praktische Lektion von Heinz, wie man einen Kite absolut gefahrlos landen und auch wieder starten kann, indem man den Kite leicht angepowert am Windfensterrand parkt, dann den Chickenloop vom Trapez abmacht und mit der Leash oder sonst einer Schnur an einem Pfosten oder Ast am Strand befestigt. Dann schnell hinrennen und mit dem Board sichern. Ruck zuck, fertig!!! Bei Starkwind sollte der Pfosten allerdings gut verankert sein, nur für alle Fälle….. ;-)
Auf dem Rückwind gibt es mal wieder etwas zum Staunen über die Brasilianer, denn zwei Autos haben mitten auf der Landstrasse (bei fehlender Standspur) angehalten und ein Pärchen lässt sich seelenruhig mitten auf der Strasse vor dem (zugegebenermassen heute besonders schönen) Sonnenuntergang fotografieren. Ich möchte nicht wissen, wie teuer einen solch eine Aktion in der Schweiz kommen würde, wenn einen die Polizei erwischt – und nach Murphy’s Law kommen die ja immer gerade dann um die Ecke, wenn man sie gar nicht brauchen kann.
Aber eben, hier im Norden von Brasilien ticken die Uhren anders und das ist auch gut so, denn sonst könnten wir ja auch daheim in unserer ordentlichen, perfekt durchorganisierten Schweiz bleiben.
In der Pousada angekommen treffen wir die anderen, die auch noch völlig gestoked sind von ihrem Tag in der Lagune und der Flussmündung von Macapà. Der Hunger ist mal wieder gross und da die Auswahl an Restaurants ja nicht so riesig ist, fallen wir schon um kurz nach sieben wieder bei unserem österreichischen Freund Thomas ein, der uns heute sogar ein luxuriöses Thunfisch-Tatar als Vorspeise serviert. Für mich gibt es eine hervorrragende Pizza Camarao und danach einen (Gipfel der Wonne!!!) Palatschinken mit Nutella. Wobei der nichts mit Schinken zu tun hat, sondern das unlogische, unerklärbare österreichische Wort für Pfannkuchen ist.
Nach diesem Traumtag gefolgt von solch einer delikaten Völlerei falle ich umso glücklicher in mein riesiges Bett im Stelzenhaus, das diese Nacht mangels Starkwind auch nicht mehr so arg schwankt, so dass die Träume auch nicht mehr ganz so wild ausfallen.
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